EXIT-Spielräume – Wirkkraft des Ungewissen
Waren Sie schon einmal eingeschlossen in einer Geschichte? Ausgestattet mit Logik, Neugierde und
Spielfreude, darf sich kreativ im Miteinander jedes Wesen in dem jeweiligen Raum bei einer
abenteuerlichen Auswegsreise entfalten. Das Besondere bei den sogenannten Escape Rooms (EXIT) ist, dass die Spieler für einen bestimmten Zeitraum eingeschlossen werden und selbstständig die Räumlichkeiten erkunden und Lösungen erarbeiten, um später diese auch wieder verlassen zu können.
Hinter jedem Gegenstand könnte ein entscheidender Hinweis den Weg in den nächsten
Raum eröffnen – eine verschobene Perspektive – eine neue Tür – alles in allem: eine teilweise
bewegliche Innenarchitektur. Mit viel Liebe zum Detail wird ein Ambiente geschaffen, dass alle
Spielenden in eine Geschichte entführt, die sich nur interaktiv in der Zusammenarbeit Aller begreifen und dadurch gemeinsam erzählen lässt. Jede Anordnung im Raum sichert oder verhindert
die Möglichkeit des Fortschreitens in den nächsten Raum. Lassen sich die Spieler auf die (noch)
ungewissen Spielräume mit Gewissenhaftigkeit ein – ertasten und durchdenken diese, dann erleben
sie ein ganz bewusstes Lenken. Der Moment in dem Ihnen bewusst wird, dass die Wegerfahrung in
den eigenen Händen liegt…
Meine Annahme, dass diese Art der Raumbegegnung, an ganz bestimmte Innenarchitekturformen und – reize gekoppelt ist, wird im weiteren Verlauf untersucht.
Betrachten wir den Reiz des Ungewissen, wird schnell deutlich, warum EXIT Räume so viele
glücklich machen: Wir stehen ohne Erkenntnissicherheit etwas ganz Diffusem gegenüber und können dabei üben, in diesem blinden Zustand auf neue Art zu erwachen. Uns selbst als tätigen Mitgestalter des Raumes zu erkennen, selbst schon beim einfachen Umstellen von Gegenständen, kann befreiend und erfüllend sein.
Die Ästhetik des Ungewissen liegt in diesem frei gestaltbarem Raum und der tatsächlichen Entdeckung des Neuen, der neckische Spagat zwischen Kontrollverlust – aufgrund der Unbekanntheit der Situation – und Kontrollmöglichkeit aufgrund der eigenen Wahl.
Dagegen kann den Stimulus des „Eingeschlossen-Werdens“ zu erleben, sowohl motivieren, als auch
zu ganz eigenen kreativen Gedankenspaziergängen einladen, bereichern, aber auch stressen.
In diesem dadurch „lebendigen“ Raum ist der Überraschungsfaktor mitunter auch so groß, dass
durch die gemeisterte innenarchitektonische Gestaltung mit der unterstützenden Akustik der Räume voller Staunen entdeckt werden kann, wie vielfältig einsetzbar manche Gegenstände tatsächlich sind.
Durch das Wahrnehmen der dynamischen Innenarchitektur zeigt sich der ganze Raum sehr
viel organischer und beweglicher, als er vom strukturell-räumlichen her wäre. Gerade hier, ist die Teamworkerfahrung und Begegnung miteinander besonders groß. Nur gemeinsam lässt sich manches erkennen und nutzen. Wer bereits etwas „erfolglos“ ausprobiert hat, wird bald von
Jemandem mit einer weiteren Idee ergänzt und kann zu einem späteren Zeitpunkt von der
vorherigen Erfahrung und dem dadurch gewonnenen Wissen profitieren. Das Raumerleben ist somit genau so „bewegt“ wie es den jeweiligen Spielern entspricht. So ist es möglich, aus dem Alltag in eine ganz neue eigene Situation zu gelangen, die vollste Aufmerksamkeit und Konzentration benötigt – aktive Entspannung mit einem Hauch Adrenalingenuss.
Fasziniert von der Idee und Ästhetik des Ungewissen und dessen Wirkkraft, wollte ich mehr über die sogenannten Escape Rooms wissen und habe mich sehr darüber gefreut, dass der Gründer von EXIT in Berlin-Mitte (Friedrichstraße 101) Max Mühlbach einverstanden war, ein paar Fragen zur
Erstellung und Besonderheit dieser Räume zu beantworten. Ein herzliches Dankeschön an dieser
Stelle für die Offenheit!
Jonna Louise Besuglow:
„Wie lange braucht es – von den Planungsentwürfen bis hin zur baulichen Umsetzung – bis ein
EXIT Escape Room fertig gestellt und nutzbar ist?“
Max Mühlbach:
„Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Gamedesigner/Raumgestalter, die bauen schlüsselfertige Spiele in 2-3 Wochen und andere planen und bauen Spiele in 2 Jahren. Unser Ansatz liegt in der Mitte:
Gamedesign und Story wird in ca 4-6 Wochen kreiert, hin und wieder nutzen wir für den Gameflow auch eine Art Brettspiel, auf dem wir den Ablauf testen. Der Vorbau dauert 2-4 Monate und der Einbau geht dann recht schnell. Je nachdem wie gut geplant wurde, muss man noch einmal 4-6
Wochen für Tests und Optimierung einplanen, teilweise erfolgt das sogar im Live Betrieb.“
Jonna Louise Besuglow:
„Wie wichtig ist die tägliche Nutzung der Räume?“
Max Mühlbach:
„Das ist zu vernachlässigen. Der Raum ist wie ein Computer, der vor Betrieb angeschaltet und im
Anschluss heruntergefahren werden muss. Hin und wieder braucht dieser mal ein Update, ansonsten
läuft er, wenn niemand etwas kaputt spielt.“
Jonna Louise Besuglow:
„Was zeichnet die Raumgestaltung der einzelnen EXIT Räume aus?“
Max Mühlbach:
„Es sind alles Multiraumspiele, also keine Welt ist kleiner als 3 Räume und wir bemühen uns um
eine sehr immersive Kulisse.“
Jonna Louise Besuglow:
„Was ist das Besondere an dem Magnetmechanismus, der Türen und Schubladen schließt bzw.
öffnet?“
Max Mühlbach:
„Das ist relativ wenig Magie. Die E-Magneten werden mit Strom versorgt und halten daher
zusammen, sobald der Strom abgeschaltet wird, lässt sich die Tür oder Schublade öffnen.
Manchmal verstärken wir den Effekt mit Federn oder Sound.“
Jonna Louise Besuglow:
„Wie erlebst Du das sich verändernde Verhalten der Spieler anhand der Räumlichkeiten?“
Max Mühlbach:
„Das macht riesigen Spaß. Zu Beginn weiß niemand etwas mit sich anzufangen, es gibt keine
Regeln, daher braucht man normalerweise etwas Zeit um in den Raum reinzukommen. Mit der Zeit
spielt man sich dann in einen Flow, aber hier ist jede Gruppe individuell. Das zu beobachten und die
Spieler:innen auf den richtigen Weg zu bringen, ist eine tolle Aufgabe.“
Aus dem Interview mit Max Mühlbach wird nochmal deutlich, dass die Wirkkraft der EXIT
Spielräume vor allem von der innenarchitektonischen Machart, also der detailreichen Multiraumgestaltung und den gewählten Sound- und Lichteffekten lebt.
Mir als Beobachterin fiel schon seit langem auch außerhalb von EXIT Spielräumen auf, dass sich das Verhalten der im Raum Anwesenden je nach Raum ändert. Diese oft unterschätzte Raumwirkung brachte mich im Juni
2024 darauf, etwa 50 Spiel-Teilnehmer des EXIT Escape Rooms am Admiralspalast in Berlin zu
interviewen nach dem sie in verschiedenen Räumen spielten. Dennoch war meine Vermutung, dass
die Spielenden eher aufgrund der spezifischen Situation, als infolge der Verschiedenheit der Räume, wiederkehrende Verhaltensweisen und bestimmte Empfindungen „zwangsläufig“ haben würden.
Um die Frage nach der Raumwirkung zu klären, stellte ich ihnen folgende Frage: Welche
Empfindungen habt ihr beim Betreten der Räumlichkeiten erlebt, insbesondere unter der
Berücksichtigung, dass es in eurem Rätselverständnis und Rätselvermögen liegt, ob ihr vorwärts kommt oder „stecken bleibt“.
Berichtet wurde vorrangig von einem „beflügelnden“ Ehrgeiz, dicht gefolgt von der Neugier darüber: „wie es wohl weiter gehen könnte“. Die Raumwirkung war für die meisten vordergründig geprägt durch „phantasiereiche innenarchitektonische Schlüsselelemente“, welche die Entdeckerlust förderten. Was könnte sich alles noch hinter diesem Gegenstand verstecken? Hier kann aus einem Rechenschieber eine Schatulle werden und dort aus einem Fläschchen ein Schlüssel und keine Wand muss unbeweglich bleiben.
Alle freuten sich, spürbar gespannt auf das Erleben und „Eintauchen in eine kleine neue Welt“. Die
meisten erlebten in dem Adrenalin des „Eingeschlossen-Werdens“ eine große Freude und
Motivation, die nötigen Anforderungen zu meistern. Jede erfolgreiche, laute Zustimmung und
Begeisterung der Gruppe hervorrufende Idee bzgl. des kreativen Ausprobierens und logischen
Durchdenkens wurde mental gefeiert. Es wurde eine Gewissheit erreicht, die mit steigender
Erkenntnis immer mehr Sicherheit schenkte.
Jeder Raum erzählt so seine ganz eigene Geschichte aufgrund der bewussten Themengestaltung. Bei
allen Räumen kam es zu einem achtsameren Umgang der Spielenden mit der Umgebung. Der Raum wurde anders betrachtet, als man es üblicherweise kennt. Die Entdeckermöglichkeit führte zu einem gründlicheren Schauen, Kennenlernen und Überlegen. Die Sinnhaftigkeit der einzelnen Gegenstände und die Farbwahl mitsamt der Ausstattung brachte also den Anreiz für zukünftige nächste Handlungsschritte und Gedankengänge. Alle Teilnehmer waren sichtlich begeistert und fühlten sich gut, da sie die Rätselstränge erkennen und auch richtig lösen konnten. Für diesen Fall der angemessenen Einschätzung wurde die „Spiel-Welt“ damit wie durch das Rätsel angestrebt begriffen. Natürlich fühlten sich auch einige fast wie „eingefroren“ und beengt, wenn etwas nicht sofort klappte. Je mehr Leute gemeinsam teilnahmen, desto schwieriger wurde das Erlebnis dann wahrgenommen.
Das Spannende war, dass viele auch nicht den Eindruck eines „Spiels“ hatten, da die
Innenarchitekten, Designer und Co alles so real dargestellt und durchdacht hatten. Diese
„außergewöhnliche Art der Rauminteraktion“ gab den Spielenden einen authentischen Spielraum,
bei denen die Spieler selbst die Reihenfolge und Erkundung frei bestimmen.
Wer sich für einen Gefängnistrakt gemeldet hatte, bekam einen. Wer in eine fremde magische Welt
eintreten wollte oder die goldenen 20er erleben wollte, begab sich auf diese Reise.
Dementsprechend groß war auch das Adrenalin und der Reiz des Unbekannten. Auch diejenigen,
die Schwierigkeiten und etwas Frust beim Lösen der Rätselstränge hatten, waren zumindest positiv
eingenommen von der Gestaltung und lebendigen Raumwahrnehmung. Vor allem positiv, fielen die
Räume auf, wenn es irgendwo eine Art Fenster gab.
Die Frage war auch, ob bei den Räumlichkeiten ein wiederkehrendes Anordnungsprinzip oder eine
Besonderheit aufgefallen ist. Hier wurde vor allem die thematisch passende Gestaltung und der
passende Sound genannt, aber architektonische Besonderheiten oder Gemeinsamkeiten gar nicht
erst erkannt.
Es entstand durch die unerwartete, bewegliche Architektur ein großer Überraschungsfaktor durch
das Öffnen von Gegenständen oder Durchgängen. Dieser war so groß, dass von keinem der Spieler
ein weiterer Raum oder „Durchgang“ an bestimmten Stellen erwartet wurde, schon gar nicht mit so einem anderen „Look“. Überraschung: Wenn die Form sich formen lässt und Perspektivwechsel die Folge ist.
Aus eigener Spielerfahrung und Betrachtung kann ich bestätigen, dass Räume wie jene, jedem
abenteuerlustigen Entdecker gefallen. Ein gelungener Raumentwurf lebt von bewusster
Ungewissheit und dem Überraschungsfaktor beim Entdecken und sorgt so für einen maximalen Spielspaß.
Die lebendige Raumwirkung und dynamische Gestaltung macht das Ganze zu einem besonderen
Erlebnis, bei dem man auch den eigenen bewussten Raumumgang schulen und erkennen kann. Es
ist eine herrliche Übung, das berühmt-berüchtigte „oh – wie konnte ich denn DAS übersehen!“ zu
erleben, aber auch zu überwinden, indem später andere Räumlichkeiten achtsamer betreten werden
und ein Aufmerksamkeitsgewinn spürbar wird.
Wer eine lebendige Raumerfahrung und kreative Begegnung sucht, der wird hier fündig. Die
teilweise verwinkelten Räume haben ihren eigenen Formcharme, bekommen aber erst durch die
kreativ-bunte Gestaltung ihre Raumwirkung.
Ein großes Dankeschön geht an alle Spielenden, die sich freudig bereit erklärten, ihre Empfindungen und Gedanken nach den Spielen mit mir zu teilen.